Der BGH hat am Dienstag im Fall “spickmich.de” entschieden, dass Bewertungen von Lehrern durch Schüler im Internet nicht rechtswidrig sind. Solche Bewertungen verstießen nicht gegen das Persönlichkeitsrecht der Lehrer, so der BGH. Somit bleibt es Schülern weiterhin erlaubt, Lehrer auf der Internetseite spickmich.de, hinsichtlich ihrer Unterrichtsqualität zu bewerten.
Hintergrund: Eine Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen, die die Fächer Deutsch und Religion unterrichtet, wurde auf der Internetplattform von ihren Schülern mit der Note 4,3 bewertet. Die Lehrerin aus Moers sah sich durch die Bewertung in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt.
Auf der Plattform werden Noten für die Kategorien: “guter Unterricht”, “cool & witzig”, “faire Noten” sowie “menschlich” vergeben.
Auf der Plattform sind mittlerweile 1,1 Millionen Nutzer registriert und ca. 448.000 Lehrer gelistet.
Neben der Bewertungskategorien können die User auch Zitate ihrer Lehrer publizieren. Die Gymnasiallehrerin aus NRW reichte im Jahr 2007 einen Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Betreiber von spickmich.de ein und hatte Erfolg. In der nächsten Instanz unterlag sie jedoch vor dem OLG Köln. Das Gericht ließ auf Grund der besonderen Tragweite des Falls eine Revision zum BGH zu.
Begründet wurde die Entscheidung des OLG mit der Aussage, dass die Bewertungen auf der Website von dem Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Der BGH bestätigte dieses Urteil. Mit seinem Beschluss vom 22.06.2009 (Az.: VI ZR 196/08) bezog der BGH erstmals Stellung zu der Zulässigkeit von, durch Schüler, im Internet abgegebenen Lehrerzensuren und somit zum Thema, wie zwischen dem Persönlichkeitsschutz von Betroffenen gegenüber der Meinungsfreiheit der Web-Community abzuwägen ist. Die Anwältin der Lehrerin bedauerte bei der Urteilsverkündung, dass es bei solchen angeboten an “Waffengleichheit” fehlen würde. Die Schüler hätten die Möglichkeit, anonym Ihre Meinung Kund zu tun und Fakten zu verbreiten, gegen die sich die Lehrer nicht wehren könnten. Dieses sei mit dem Datenschutz nicht vereinbar. Bereits das OLG hielt eine genaue Nutzerzuordnung jedoch nicht für notwendig und für unverhältnismäßig aufwendig. Der Anwalt von spickmich.de argumentierte dagegen, dass gerade die Anonymität eine Waffengleichheit darstelle. So wäre es nur fair, dass Bewertungen von Schülern abgegeben werden könne und, dass diese anonym blieben, denn so könnten die Schüler angedrohte Schulausschlüsse, im Falle einer Bewertungsabgabe, umgehen. Der BGH griff die Argumentation des OLG auf und stellte fest, dass auch anonyme Aussagen von der Meinungsfreiheit gedeckt seien. Ferner gab die Lehrerin an, durch die Bewertungskategorien, wie “witzig”, “fair” und “menschlich” in ihrer Privatsphäre verletzt worden zu sein. Zudem sehe sie in der Sammlung von Zitaten ihr Recht am gesprochenen Wort tangiert.
Dieses wurde sowohl von den Gerichten unterer Instanzen als auch vom BGH verneint. Begründung des BGH: Die hier bewerteten und angegebenen Kategorien betreffen nicht die Person an sich, sondern sind auf die Ausübung des Berufes zurückzuführen. Die Berufstätigkeit fällt nicht unter den gleichen Schutz, wie die Privatsphäre. Somit seien Meinungen und Bewertungen im Bezug auf die Berufsausübung nicht als eine Verletzung der Privatsphäre anzusehen.
Zudem wären die Bewertungen nicht in Form von Beleidigungen, Erniedrigungen oder Schmähkritik abgegeben worden und können auch nicht als solche aufgefasst werden.
Die Namenskundgabe des bewerteten Lehrers sei eben das, was die Bewertungen erst ermögliche, so der BGH.
Das Gericht hielt vorliegend die Speicherung und Verwendung personenbezogener Daten trotz mangelnder Einwilligung für zulässig. Personenbezogene Daten seien zwar nicht nur klassische Daten wie Name oder Geburtsort, sondern auch Meinungsäußerungen und Beurteilungen, die sich auf eine konkrete Person bezögen. Für sie gälten grundsätzlich die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes. Die Erhebung und Speicherung von Daten ohne Einwilligung des Betroffenen sei aber auch nach dem Datenschutzgesetz etwa dann zulässig, „wenn ein Grund zu der Annahme eines schutzwürdigen Interesses an dem Ausschluss der Datenerhebung und -speicherung nicht gegeben“ sei.
Der BGH habe das entgegenstehende Interesse der Klägerin im Vergleich zum Interesse der freien Meinungsäußerung und des freien Meinungsaustauschs für als “nicht gegeben” erachtet. Der BGH stellte fest, dass es sich bei dem hier gesprochenen Urteil um eine Einzelfallentscheidung handelt.
Links:Ausführlicher Bericht bei Spiegel Online
Wichtig für den IT-Unternehmer:
Mit dem hier gesprochenen Urteil hat der BGH, im Hinblick auf Berufsbewertungsplattformen, Neuland betreten. Auch wenn dieses Urteil eine Einzellfallentscheidung darstellt, wird dieses sicherlich auch zur Argumentation in anderen rechtlichen Auseinandersetzungen herangezogen werden.
Die Rechtmäßigkeit des Betriebes solcher Plattformen wurde, juristisch gesehen, nicht mit diesem Urteil verfestigt. Um sicherzugehen, dass ein Bewertungsportal, sei es für Lehrer oder für andere Berufsgruppen, rechtssicher ist, müsste individueller rechtlicher Rat eingeholt werden.
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