Industrie 4.0 in der Logistik – 7 Trends und Ihre Fallstricke

Industrie 4.0

Industrie 4.0 ist der neue Mega-Trend. Neue Technologien bieten ungeahnte Möglichkeiten der Prozessoptimierung und Kostenreduzierung. Lesen Sie hier, welche Möglichkeiten Industrie 4.0 in der Logistik bietet und welche...

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Industrie 4.0 ist der neue Mega-Trend. Neue Technologien bieten ungeahnte Möglichkeiten der Prozessoptimierung und Kostenreduzierung. Lesen Sie hier, welche Möglichkeiten Industrie 4.0 in der Logistik bietet und welche rechtliche Fallstricke für Unternehmen drohen.

Gerade die Logistikbranche ist zur Optimierung der eigenen Geschäftsprozesse auf den Einsatz neuer Technologien angewiesen. Hier hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Gerade im Zeitalter der vernetzten Fabriken (Industrie 4.0) und Gegenstände (Internet der Dinge) eröffnen sich für die Logistik neue Möglichkeiten. Jedoch ist selbst der Einsatz neuester Technologie nichts wert, wenn dieser nicht rechtskonform stattfinden kann und damit erhebliche Haftungsrisiken begründet. Dieser Artikel gibt daher nicht nur einen Überblick zu den technischen Möglichkeiten, sondern auch zu den wichtigsten, rechtlichen Fallstricken.

Trend 1: Intelligente Transportmittel (Industrie 4.0)

In der Zukunft wird der Transport von Behältern nicht mehr zentral gesteuert, sondern autonom durch intelligente Technik in den Behältern selbst. Diese verfügen über eine energieautarke Prozessoreinheit, welche selbständig kommuniziert, eigene Entscheidungen trifft, Umgebungsbedingungen überwacht und Logistikprozesse selbständig steuert. Transportbänder erhalten daher über Funk direkt die Anweisung, in welches Fahrzeug der Behälter abgelegt werden soll. Solche Behälter gibt es schon heute. So hat das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik den sog. „inBin“ entwickelt, der bereits testweise eingesetzt wird. Ein weiteres Beispiel sind autonome Flugrobotersysteme, wie sie medienwirksam bereits von Amazon und DHL getestet werden und eine vollautomatische Bestellabwicklung, bis hin zur Lieferung der Waren ermöglichen.

Rechtlich ist hier insbesondere der Datenschutz zu beachten. Personenbezogene Daten sind zwingend in den Speichern der intelligenten Transportmittel abzulegen. Damit verlassen sie den Herrschaftsbereich der verantwortlichen Stelle, was an umfangreiche, datenschutzrechtliche Anforderungen geknüpft ist. Transportrechtlich steht auch bei Industrie 4.0 die Haftung bei Fehlauslieferungen oder Sendungsverlusten im Vordergrund. Speziell beim Einsatz von Flugrobotern ist natürlich das Luftverkehrsrecht zu beachten, was grundsätzlich den automatischen, autonomen Flug verbietet. Hier sind daher gesetzliche Reformen notwendig.

Trend 2: M2M-Kommunikation (Internet der Dinge)

Das Besondere an Industrie 4.0 ist die Kommunikation zwischen Maschinen. Durch die Verbindung der drei neuen Technologien Internet, mobile Computer und Cloud Computing ergeben sich vollkommen neue Möglichkeiten in der Logistikkette. Mobile Endgeräte (wie auch die intelligenten Behälter) kommunizieren über Funk mit sog. cyber-physischen Systemen, welche direkt via Internet mit Cloud-Servern verbunden sind. So wird es möglich sein, dass die intelligenten Behälter selbständig Transportaufträge via Funk und Cloud-Computing an Dienstleister erteilen können, welche bestenfalls bereits im selben Logistikzentrum ein Transportfahrzeug bereit stehen haben. Gesteigert wird diese Technologie noch durch die Verknüpfung mit Onlineshops: Der Käufer bestellt via Onlineshop und das System erteilt direkt an das Logistiksystem den Auftrag zur autonomen Ingangsetzung des Transportauftrages aus dem Lager des Verkäufers.

Natürlich stellt eine solche Kommunikation von Maschine zu Maschine (M2M) in der Industrie 4.0 Juristen vor erhebliche Herausforderungen. Der automatisierte Vertragsschluss ist in unserem Zivilrecht aus dem Jahre 1900 noch nicht vorgesehen. Es ist daher auf beiden Seiten zumindest ein menschlicher Willensakt erforderlich. Aus handels- und steuerrechtlicher Sicht muss hier beachtet werden, dass Geschäfts- und Handelskommunikation grundsätzlich der Aufbewahrungspflicht unterliegt. Revisionssichere Dokumentationen sind daher umzusetzen. Aus transportrechtlicher Sicht ergibt sich die Frage nach der Haftung für Auswirkungen unrichtiger Informationen in der M2M-Kommunikation.

Trend 3: Sensorik und Echtzeit-Monitoring (Big Data)

Ein weiterer Trend in der Industrie 4.0 sowie der Smart Logistik ist der Einsatz von Big Data. In der Zukunft sind an allen Transportmitteln und Lagereinheiten kleine Sensoren angebracht, die permanent Daten an das cyber-physische System senden. So wird es möglich sein, jederzeit und weltweit in Echtzeit Temperatur, Druck, Vibration und Standort der transportierten Fracht zu messen. Diese Daten können dann zur blitzschnellen Reaktion auf kritische Veränderungen genutzt werden, z.B. bei Transport von chemischen Stoffen (Druck), Lebensmitteln (Temperatur) oder hochwertigen High-Tech-Gerät (Vibration).

In rechtlicher Hinsicht kommt es wiederum zu erhöhten Anforderungen, sobald personenbezogene Daten in diesen Speicherungsprozess eingebunden werden. Dies wird sich bei Nutzung von Big Data in der Industrie 4.0 im Regelfall nicht vermeiden lassen, so dass jedes Verfahren zur Speicherung von Sensordaten zuvor auf rechtskonforme Datenerhebung überprüft werden muss. Bei gleichzeitiger Speicherung von Mitarbeiterdaten (z.B. des LKW-Fahrers) sind arbeitsrechtliche Vorgaben zu beachten und im Regelfall ist eine vorherige Einwilligung einzuholen, soweit nicht zuvor per Betriebsvereinbarung eine solche Einwilligung entbehrlich gemacht wurde, denn anhand der Daten ist eine detaillierte Leistungskontrolle des Mitarbeiters möglich. Darüber hinaus ergibt sich bei Erhebung von Big Data auch immer die Frage der Eigentümerstellung. Wer ist Berechtigter in der Industrie 4.0, wenn unterschiedliche Datenbestände zusammengeführt werden? Diese Frage ist wichtig, denn über die Jahre hinweg werden derartige Datenbestände unermessliche Werte entwickeln. Bei Verknüpfung dieser Daten mit den üblichen IT-Systemen der Logistik (Supply-Chain-Management, Enterprise-Resource-Planning, Warehouse-Management oder Transportation-Management) sind sodann urheberrechtliche Fragen zu klären, denn bereits die Integration kleinster Skripte kann zu einer „Infizierung“ der eigenen Systeme mit Open-Source führen, was mittels gerichtlich festgestellter Unterlassungsansprüche zur Stilllegung ganzer Systemteile – und damit zur Unterbrechung der Logistikkette – führen kann.

Trend 4: Predictive Maintenance

Die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) bietet der Industrie 4.0 – insbesondere in der Logistikbranche – in Zukunft ein unglaubliches Einsparpotential. Sämtliche Technikdaten der Transportmittel, insbesondere LKW und Flugzeug, werden zukünftig mit Sensoren durchgehend überwacht und liefern Peta- und Exabyte an Daten, die gespeichert werden. Neueste Technologien sind in der Lage, diese unermessliche Anzahl an Daten in Echtzeit zu analysieren (Big Data Analytics) und hieraus unter Verwendung komplizierter Algorithmen konkrete Vorhersagen zu treffen. Wenn also der Motor eines LKW einmal ausfällt, so werden die Technikdaten des Motors (Öldruck, Öltemperatur, Betriebsdauer, Vibrationen etc.) vor dem Ausfall in einem Profil gespeichert und dieses Profil sodann ständig mit den Technikdaten der anderen Fahrzeuge abgeglichen. Kommt es zur Übereinstimmung, so wird der Fahrer rechtzeitig per mobilem Endgerät zum Aufsuchen einer Werkstatt aufgefordert, bevor erneut ein ähnlicher Schaden auftreten kann. Gleichzeitig können mit Predictive Maintenance in der Industrie 4.0 technische Belastungsgrenzen gezielt ausgereizt werden, um eine möglichst effektive Materialnutzung zu erreichen.

Rechtlich gelten dieselben Ausführungen wie zu Sensorik und Echtzeit-Monitoring (Datenschutz, Arbeitsrecht, Urheberrecht, Eigentumsrecht etc.).

Trend 5: Elektronische Frachtdokumente

Nur ein kleiner Teil der Logistikbranche greift bislang auf die Möglichkeit des elektronischen Frachtbriefes zurück, obwohl auch dieser einen vorteilhaften Trend in der Logistikbranche darstellt und mittelbar auch zum Thema Industrie 4.0 gehört. Bisher verlangte die geltende Rechtslage schriftlich dokumentierte, auf Papier erfasste Frachtpapiere. Durch eine Gesetzesänderung des § 408 HGB kann seit April 2013 auch auf elektronisch ausgestellte Dokumente, sogenannte „elektronische Frachtbriefe“ zurückgegriffen werden. Gesetzlich sind die rechtlichen Anforderungen nicht abschließend geregelt. Geklärt ist allein, dass auch für den e-Frachtbrief die gesetzlichen Anforderungen an Authentizität und Integrität der Aufzeichnung gelten müssen. Zur Umsetzung ist nach dem gesetzgeberischen Willen eine elektronische Form gem. § 126a BGB, also eine namentliche Erklärung in Verbindung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur erforderlich. Auch hier sind daneben die handels- und steuerrechtlichen Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten sowie die Funktion der Frachtpapiere als Beweismittel zu berücksichtigen. Die rechtlichen Anforderungen für elektronische Frachtbriefe sind daher zwar nicht marginal. Jedoch zeigen die Erfahrungen betroffener Logistikunternehmen, dass sich die Umsetzung bereits nach kurzer Zeit rechnet.

Trend 6: Cloud-Plattformen – elektronische Verkehrssteuerung und Marktplätze

Wieder einmal wird die Cloud-Technologie bestehende Geschäftsprozesse revolutionieren; dies gilt auch für die Industrie 4.0. Cloud-Plattformen haben den Vorteil, dass Informationen an einer Stelle zusammengeführt werden und dort für jedermann abrufbar sind. Da nur eine einzige IT-Infrastruktur gepflegt werden muss, kann der Cloud-Plattformbetreiber stets die neueste Technologie verwenden und damit immer leistungsfähigere Dienste anbieten. In Bezug auf Logistik 4.0 bieten sich hier insbesondere intelligente Verkehrssteuerungen und elektronische Marktplätze an. Gutes Beispiel für eine intelligente Verkehrs-Plattform in der Cloud ist das smartPORT Logstik System des Hamburger Hafens (Hamburg Port Authority). Dort werden alle relevanten Verkehrsströme erfasst und zur Planung der schnellsten Verkehrswege und Verladekapazitäten an die beteiligten Transportunternehmen weitergeleitet. Auf diese Weise werden lange Wartenzeiten vermieden und Logistikabwicklungen erheblich beschleunigt. Auch Marktplätze werden die Logistik in der Industrie 4.0 revolutionieren. Während die Abwicklung von Transportaufträgen heute noch überwiegend manuell erfolgt, werden in Zukunft – wie bereits beschrieben – intelligente Behälter autonom mit Marktplätzen in der Cloud kommunizieren und Aufträge erteilen. Es wird sich in naher Zukunft entscheiden, welche elektronischen Marktplätze hier langfristig die Nase vorn haben werden.

Rechtlich gesehen erfolgt bei Nutzung derartiger Cloud-Plattformen eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Auftrag des jeweiligen Logistikunternehmens, welche zuvor auf das Portal hochgeladen wurden. Diese Auftragsverarbeitung erfolgt nur dann rechtskonform, wenn umfangreiche Anforderungen erfüllt werden. Unter anderem sieht das geltende Recht den Abschluss eines „schriftlichen Vertrages“ mit dem Plattform-Betreiber vor, was wohl zum heutigen Zeitpunkt noch die wenigsten Nutzer derartiger Frachtbörsen vorlegen können. Zudem geht es rechtlich wiederum um die Frage des Eigentums an den übermittelten Datenbeständen sowie um die urheberrechtlichen Ansprüche auf Nutzung der Plattform selbst. Transportrechtlich wäre zudem zu klären, welche Partei die Haftung übernimmt, wenn es infolge fehler- oder lückenhafter Informationen im Cloud-System zu einem Schaden, etwa durch Lieferverzögerungen, kommt.

Trend 7: Einsatz mobiler Endgeräte

Schon heute setzen Unternehmen der Logistikbranche mobile Endgeräte im Geschäftsalltag ein. Dies wird in der Industrie 4.0 noch deutlich zunehmen. Aufträge an den LKW-Fahrer werden nicht mehr via CB-Funk übermittelt, sondern direkt in Textform auf das iPad im Führerhaus geschickt. Dort ist auch die ständig aktualisierte Route dargestellt, die der Fahrer zu nehmen hat, um ggf. spontan neu hereingekommene Aufträge abwickeln zu können. Häufig werden von den Mitarbeitern jedoch auch personenbezogene Daten (etwa Telefonnummern, E-Mail-Adressen, Termindaten o.ä.) auf diesen mobilen Endgeräten gespeichert. Um Kontrollrechte nicht zu verwässern, sollte ein solches Verhalten arbeitsvertraglich klar verboten werden. Zudem sieht das Bundesdatenschutzgesetz erhöhte Pflichten bei der technischen Sicherung derartiger Geräte vor, da diese im Regelfall mit dem Unternehmensnetzwerk verbunden sind. Rechtlich ist schließlich auch das Urheberrecht zu beachten. Vor Einsatz von Unternehmenssoftware auf dem mobilen Endgerät ist eine umfangreiche Lizenzkontrolle durchzuführen, denn im Regelfall sehen die Lizenzbedingungen der Softwareanbieter konkrete Nutzungseinschränkungen vor, deren Nichtbeachtung zu Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen führen kann.

Fazit

Obige Ausführungen können nur einen groben Überblick über die Möglichkeiten und rechtlichen Probleme der neuen Industrie 4.0 am Beispiel der Logistik geben. Insbesondere wurde der praxisrelevante Bereich der elektronischen Zahlungssysteme aus Platzgründen nicht behandelt. Es wird jedoch deutlich, dass sich die Logistikbranche mit den neuen Technologien beschäftigen muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Umsetzung derartiger IT-Projekte ist nicht nur technisch kompliziert, sondern auch rechtlich anspruchsvoll. Insoweit sollten Rechtfragen zu Datenschutz, Arbeitsrecht, Urheberrecht, Transportrecht und Haftungsrecht frühzeitig geklärt werden, um spätere Konflikte mit Rechteinhabern und Aufsichtsbehörden zu vermeiden.

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