UWG: Neue Abmahnwellen wahrscheinlich

Das Thema Abmahnung beschäftigt gerade solche Unternehmen, die über das Internet Verträge abwickeln, also auch IT-Händler mit eigenem Onlineshop. Während in der Vergangenheit zumindest kleinere Wettbewerbsverstöße von der...

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Das Thema Abmahnung beschäftigt gerade solche Unternehmen, die über das Internet Verträge abwickeln, also auch IT-Händler mit eigenem Onlineshop. Während in der Vergangenheit zumindest kleinere Wettbewerbsverstöße von der Abmahnung ausgenommen waren, gibt es nun eine Tendenz, auch solche Verstöße als abmahnfähig zu qualifizieren. Einen Überblick zur aktuellen Lage gibt dieser Beitrag.

behinderung_03I. Bisherige Rechtslage

Abmahnungen im Wettbewerbsrecht werden überwiegend auf § 4 und § 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gestützt, wonach es u.a. verboten ist, im Geschäftsverkehr irreführend zu werben oder aber gegen wettbewerbsschützende Vorschriften zu verstoßen (§ 4 Nr. 11 UWG). § 3 UWG sieht allerdings vor, dass solche Wettbewerbsverstöße außen vor bleiben, die den Wettbewerb nur „unerheblich“ beeinträchtigen (sog. Erheblichkeitsschwelle). Soweit sich eine Verletzung von Vorschriften also nur geringfügig auf den Wettbewerb auswirkt, bleibt der Verstoß ohne Konsequenz und kann auch nicht abgemahnt werden. So hatte etwa das OLG Koblenz in einem Urteil aus 2006 (4 U 1219/05) entschieden, dass der Verkauf von Kaffee ohne Angabe des Grundpreises zwar gegen die Preisangabenverordnung verstoße, dieser Verstoß jedoch derart geringe Auswirkungen auf den Wettbewerb habe, dass eine Abmahnung unzulässig sei. Das OLG Hamburg hatte in einem Fall aus 2007 entschieden (3 W 64/07), dass die fehlende Angabe der Handelsregisternummer einer GmbH zwar als Verstoß gegen die Impressumspflicht zu werten sei, mangels Erheblichkeit jedoch nicht als abmahnfähige Wettbewerbsverletzung. Das KG Berlin urteilte in seiner Entscheidung vom 11.04.2008 (5 W 41/08) zuletzt, dass die Abkürzung des Vornamens des Geschäftsführers einer GmbH & Co. KG zwar als Verstoß gegen das TMG, nicht jedoch als Wettbewerbsverletzung zu werten sei.

II. Aktuelle Entscheidungen

Problempunkt bei der Erheblichkeitsschwelle ist nun die EU-Richtlinie 2005/29/EG (UGP-Richtlinie), welche neue Regeln zum Wettbewerbsrecht aufstellt und vom deutschen Gesetzgeber hätte bis Dezember 2007 umgesetzt werden müssen. Zwar wurde ein „Entwurf zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“ am 21.05.2008 vom Bundeskabinett beschlossen, welche u.a. eine „Schwarze Liste“ von unlauteren Geschäftspraktiken enthält. Dieser Entwurf wurde jedoch noch immer nicht vom Bundestag verabschiedet. Es gibt inzwischen eine starke Meinung innerhalb der deutschen Justiz, dass aufgrund der Nichtumsetzung nun die Inhalte der Richtlinie bei der Auslegung der geltenden Vorschriften zu berücksichtigen seien. Das bedeutet: Wenn in der EU-Richtlinie die Erheblichkeitsschwelle keine derartige Berücksichtigung findet, kann sie auch zum heutigen Stand nicht angewendet werden. Das OLG Frankfurt am Main hat diese Position zuletzt bestätigt. In seinem Beschluss vom 04.07.2008 (6 W 54/08) ging es um eine Abmahnung wegen angeblich unwirksamer AGB-Klauseln. Während das OLG Köln am 16.05.2008 (6 U 26/08) noch entschieden hatte, dass nicht jede unwirksame AGB-Klausel wettbewerbswidrig sei, kam der Senat des OLG Frankfurt aufgrund der aktuellen Rechtslage zum Ergebnis, dass mangels Anwendbarkeit der Erheblichkeitsschwelle derzeit jede unwirksame Klausel abmahnfähig sei. Auch das OLG Hamm urteilte am 13.03.2008 (4 U 192/07) dahingehend, dass ein Fehler im Impressum nun richtlinienkonform als Wettbewerbsverletzung auszulegen sei, auch wenn der Wettbewerb nur geringfügig beeinträchtigt werde.

III. Neue Rechtslage

Die neuen Entwicklungen wirken sich unmittelbar auf den deutschen Handel aus. Solange nicht von Seiten der Legislative klargestellt wird, unter welchen Voraussetzungen kleinere Rechtsverstöße beim Wettbewerbsrecht außen vor bleiben sollen, gilt eine richtlinienkonforme Auslegung von § 3 UWG, wonach eine Erheblichkeitsschwelle nicht mehr existiert. Wettbewerber können daher nun bis zur Verabschiedung und Inkrafttreten des neuen UWG-Gesetzes damit rechnen, dass jeder noch so kleine Verstoß gegen wettbewerbsrelevante Vorschriften per Abmahnung sanktioniert werden kann. Zu den häufigsten angewendeten Vorschriften gehören hierbei § 312c BGB, §§ 309 f. BGB, § 3 BuchPrG, §§ 6 f. ElektroG, § 3 EnVKV, § 5 KosmetikV, § 1 PAngV, § 1 TextilKG, § 5 TMG, § 6 VerpV oder etwa § 9 ZZulV. Zuletzt kam es auch beim Uhrenhandel verstärkt zu Abmahnungen wegen Verletzung des sog. „Gesetzes über den Feingehalt der Gold- und Silberwaren“ von 1884 (!). Hier wird von Wettbewerbern etwa bemängelt, dass die Kennzeichnung der Vergoldung (etwa als „750 goldplated“) auf Uhrengehäusen trotz wahrheitsgemäßer Angabe verboten sei. Auch derart veraltete Vorschriften können daher in der gegenwärtigen Situation zu einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung führen, selbst wenn hier die Erheblichkeitsschwelle wohl nicht überschritten sein dürfte.

Wichtig für den IT-Unternehmer:

IT-Händler sollten sich warm anziehen. Sollte die gegenwärtige Unsicherheit mangels Umsetzung der EU-Richtlinie fortbestehen – und dies dürfte angesichts der gegenwärtigen Fokussierung auf die Finanzkrise wahrscheinlich sein –, so könnte es in den kommenden Monaten zu einer wahren Abmahnwelle kommen. Es ist daher anzuraten, die gegenwärtige Außenpräsenz des Unternehmens auf Rechtssicherheit vorsorglich vollumfänglich prüfen zu lassen.

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