In einem Urteil vom 01.12.2010 (Az.: VIII ZR 82/10) entschied der BGH, dass ein Online-Händler, der die Muster für die Widerrufsbelehrung verwendet, den exakten Wortlaut übernehmen muss. Bereits geringe Abweichungen hiervon führen nach Ansicht der Richter dazu, dass die Widerrufsfrist nicht beginnt. Als solche Abweichungen sieht der BGH auch das Fehlen der Überschriften in der Belehrung.
In dem zu Grunde liegenden Sachverhalt bestellte ein Verbraucher am 26.01.2007 einen PC bei einem Online-Händler, welcher am 14.01.2007 geliefert wurde. Dem gelieferten Gerät lag eine Belehrung über die Widerrufsrechte bei.
Da der Käufer mit dem PC ständig Probleme hatte, erklärte er am 30.07.2007 schriftlich den Widerruf vom Kaufvertrag und forderte die Rückerstattung des Kaufpreises.
Der Händler wies die Forderung ab und stütze sich darauf, dass der Widerruf viel zu spät bei ihm eingegangen sei. Daraufhin verklagte der Käufer den Händler auf Rückerstattung und bekam in der ersten Instanz Recht. Auch die Revision des Händlers vor dem BGH blieb erfolglos.
Nach Ansicht des Gerichts, erfolgte der vom Käufer ausgesprochene Widerruf nicht nach Ablauf der Frist, da diese nicht mit dem Erhalt der Ware begonnen hatte. Dies sei darauf zurückzuführen, dass der Käufer hier nicht ordnungsgemäß belehrt wurde.
Das Gericht der ersten Instanz, stützte seine Argumentation darauf, dass der Händler ein altes und nicht mehr aktuelles Muster einer Widerrufsbelehrung verwendete, weshalb die Belehrung ausgeblieben ist. Der BGH argumentierte allerdings anders. Auf die Frage, ob es sich hier um das alte oder das neue Muster der Belehrung handele, komme es gar nicht erst an. Vorliegend hat der Händler gar nicht erst das alte Muster verwendet und konnte sich somit auch nicht auf die Wirkung dieses stützen.
Eine Widerrufsbelehrung entspricht gem. §14 BGB-InfoV nur dann dem Muster aus der Anlage II der BGB-InfoV, wenn dieses in Textform verwendet wird und wörtlich übernommen wird. Abweichungen von der Anlage sind nur im Sinne des Formats oder des Schriftbildes erlaubt. Der Händler hatte allerdings eine Belehrung verwendet, die auch inhaltlich vom Muster abwich. In der von ihm übersandten Widerrufsbelehrung fehlten die Überschrift „Widerrufsbelehrung“ sowie die Zwischenüberschriften „Widerrufsrecht“, „Widerrufsfolgen“ und „finanzierte Geschäfte“. Die einzige hier verwendete Überschrift lautete nur „Widerrufsrecht“.
Nach Argumentation des BGH, werde durch die Wahl einer solchen Überschrift nicht deutlich gemacht, dass der Käufer nicht nur ein Widerrufsrecht besitzt, sondern auch besondere Pflichten erfüllen muss, falls er dieses ausübt.
Darüberhinaus schränkte der Händler die Belehrung auf Verbraucher ein. Die von ihm verwendete Belehrung fing nicht mit „Sie“ an, sondern mit dem Wort „Verbraucher“. Somit richtet sich die Belehrung nicht, wie im Muster gefordert, an den Empfänger des Dokuments, sondern an einen abstrakten Käufer, den „Verbraucher“, ohne dass die Eigenschaft dieses definiert wird.
Abgesehen von den inhaltlichen Abweichung vom Muster, entsrpache die Belehrung des Händlers auch optisch nicht einmal annähernd den Kriterien der BGB-InfoV: […] „Durch das Fehlen der in der Musterbelehrung vorgeschriebenen Überschrift „Widerrufsbelehrung“ wird für den Verbraucher schon nicht hinreichend deutlich, dass die kleingedruckten Ausführungen unter der Überschrift „Widerrufsrecht“ eine für den Verbraucher wichtige Belehrung enthalten, und zwar nicht nur über sein Widerrufsrecht, sondern auch über die mit der Ausübung des Rechtsverbundenen Pflichten.
Darüber hinaus ist die Widerrufsbelehrung der Beklagten für einen durchschnittlichen Verbraucher nur mit großer Mühe lesbar, weil die Schrift extrem klein ist und jegliche Untergliederung des Textes fehlt.
Es fehlten nicht nur die in der Musterbelehrung vorgeschriebenen Zwischenüberschriften, sondern auch jegliche Absätze. […]
Daraus schlussfolgerte der BGH, dass keine Rede davon sein kann, dass die Belehrung in einer Weise dem Muster entsprechen würde. Sie sei weder deutlich gestaltet, noch inhaltlich übereinstimmend. Vor allem, im Bezug auf die für den Verbraucher deutlich nachteiligen Folgen eines Widerrufs, entspreche die vom Händler eingesetzte Belehrung keineswegs den Vorgaben des Musters.
Aus diesen Gründen, können der Beklagte sich hier nicht auf die Privilegien des §14 BGB-InfoV berufen. Eine ordnungsgemäße Belehrung sei daher, nach Ansicht der Richter, nicht erfolgt und die Widerrufsfrist hat mit dem Tag des Erhalts der Belehrung nicht begonnen.
Der am 30.07.2007 erfolgte Widerruf des Käufers sei somit rechtmäßig und für den Händler bindend.
Links:Originalurteil auf jurpc.de
Wichtig für den IT-Unternehmer:
Das aktuelle Muster der Widerrufsbelehrung ist heute im EGBGB zu finden. Im §360 Abs. 1 BGB steht mittlerweile, dass der Unternehmer den Verbraucher deutlich über das Widerrufsrecht zu informieren hat. Gem. §360 Abs. 3 BGB kann der Händler dieser Pflicht durch die Verwendung der Musterbelehrung nachkommen. Wenn vom Unternehmer nun jedoch die Überschriften weggelassen werden, handelt es sich bei der Belehrung eben nicht mehr um das Muster und die Belehrung entspricht nicht mehr den Anforderungen des §360 Abs. 3 BGB, so dass die Widerrufsfrist nicht beginnt.
EinsAllen Händlern ist somit ausnahmslos dazu zu raten, die Musterbelehrung aus dem EGBGB wortwörtlich und unverändert zu übernehmen und vor allem darauf zu achten, dass alle Zwischenüberschriften beibehalten werden und klar erkennbar bleiben.
Auch eine Einschränkung der Belehrung auf Verbraucher sollte auf keinen Fall erfolgen. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass solch eine Einschränkung, laut BGH, erlaubt wäre, dies ist allerdings umstritten und es sind noch diverse Verfahren anhängig, welche abgewartet werden sollten, um eine klare Antwort auf solch eine Frage geben zu können.
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